In den frühen Morgenstunden erreichte am Samstag (8. Januar 2011) nach fast sechswöchiger „Odyssee“ das Herzstück der neuen Luftzerlegungsanlage seinen künftigen „Arbeitsplatz“ im bayerischen Gundelfingen a. d. Donau. Mit rund 35 Meter Länge und einen stolzen Gewicht von 117 Tonnen wird in der sogenannten Coldbox zukünftig Luft in ihre Bestandteile zerlegt.
Air Liquide erstellt das Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro schlüsselfertig in Eigenregie. Auf dem 20.000 qm großen Areal wurde in den vergangenen Monaten eifrig gebaut: Erdreich wurde abgetragen, Betonfundamente gegossen. Die Anbindung der neuen Luftzerlegungsanlage an das 110-kV-Hochspannungsnetz übernimmt die Lechwerke AG (LEW), Anfang Dezember schaltete das Unternehmen bereits einen großen Trafo auf dem Werkgelände auf.
Coldbox in Frankreich gebaut
Als Coldbox wird eine Anlage bezeichnet, die bei tiefkalten Temperaturen (-180 Grad und kälter) betrieben wird („Cold“) und in einem Metallgehäuse („Box“) installiert ist. Das technische Innenleben der Coldbox für Gundelfingen wurde im französischen Vitry-sur-Seine, einem Vorort von Paris, durch das Air Liquide Engineering gebaut. Die viereckige Hülle aus Stahl und Aluminium anschließend im lothringischen Epinal, nahe Nancy, gefertigt.
Der Konvoi aus Coldbox (117 Tonnen) und dem 76 Tonnen schweren Verflüssiger, sowie einer Reihe von Begleitfahrzeugen setzte sich am 29. November in Bewegung – genau zum frühen Wintereinbruch in weiten Teilen Europas. Eis, Schnee, widrige Sicht- und Straßenbedingungen führten dazu, dass die geplanten Tagesetappen oftmals nur mit Verzögerung geschafft wurden. Bis Straßburg rollte der Schwertransport zunächst auf der Straße. Ab hier wurde die XXL-Fracht per Schiff auf dem Rhein transportiert – und saß schließlich auf Grund des inzwischen einsetzenden Hochwassers fast eine Woche in Feudenheim vor der Schleuse auf dem Neckar „fest“. In Heilbronn wurde die Fracht erneut auf Lkw verladen, die die letzten 180 Kilometer in weiteren drei Nächsten bewältigten.
„Insgesamt war der Transport eine logistische Meisterleistung“, lobte Uwe Bock, Projektleiter der AIR LIQUIDE Deutschland GmbH, die die neue Luftzerlegungsanlage zukünftig betreiben wird. Das verantwortliche Frachtunternehmen hatte rund ein Jahr für die Routenplanung benötigt.
Mit der Ankunft der Coldbox ist nun ein wichtiger Meilenstein des Großprojektes realisiert – quasi als „verspätetes Weihnachtsgeschenk“ für
Air Liquide in Deutschland. Jetzt werden noch letzte Anbauten an der Coldbox montiert, bevor diese in der kommenden Woche schließlich von einem 1.000-Tonnen-Kran auf ihren Aufstellungsplatz gewuchtet wird. In der Folge wird die Endverrohrung vor Ort vorgenommen. „Damit ist das Herzstück der Anlage dann endgültig in Gundelfingen verwurzelt“, so Bock.
Ab Mitte 2011 wird die neue Produktionsanlage für die Luftgase Sauerstoff und Stickstoff täglich rund 700 Tonnen verflüssigter Gase aus der Umgebungsluft gewinnen. Die Luft wird hierfür angesaugt, vorgereinigt, verdichtet, vorgekühlt, in ihre Bestandteile getrennt und schließlich bis zum Abtransport verflüssigt in Tanks gelagert.
Anbindung an Stromversorgung
Die Anbindung der Produktionsanlage an die Stromversorgung wurde Anfang Dezember realisiert. Nach sechs Monaten Bauzeit hat die LEW Netzservice GmbH, ein Tochterunternehmen des in Augsburg ansässigen Energie-versorgungsunternehmens Lechwerke AG, die Umspannanlage fertig gestellt. Nach dem Probebetrieb des Großtransformators ist das Umspannwerk einsatzfähig und wird nach der Inbetriebnahme der Luftzerlegungsanlage, Elektrizität aus dem 110-kV Hochspannungsnetz liefern.